![]() und weitere fünf wichtige Dinge, die du über die Chakras noch nicht wusstest im Auftrag von C. Hareesh Wallis von mir und Cornelius übersetzt 2. Die Chakrasysteme sind vorschreibend, nicht beschreibend Westliche Quellen neigen dazu, das Chakra-System als existenzielle Tatsache darzustellen, indem sie eine beschreibende Sprache verwenden; dort heißt es z.B. dass das mūlādhāra Chakra sich an der Basis der Wirbelsäule befindet und rot ist. In den meisten der ursprünglichen Sanskrit-Quellen wird jedoch nicht beschrieben wie die Dinge sind, stattdessen wird eine spezifische yogische Praxis vermittelt: so sollen wir uns beispielsweise ein feinstoffliches Objekt in Form eines Lotus oder drehendes Rades in farbigem Licht vorstellen und dieses an einem bestimmten Punkt im Körper zu visualisieren. Dort werden dann mantrische Silben für einen bestimmten Zweck aktiviert. Die Texte schreiben also vor was zu tun ist, um ein bestimmtes Ziel mit mystischen Mitteln zu erreichen. Wenn das wörtliche Sanskrit, in seiner umschreibenden Form, den "vierblütigen roten Lotus an der Basis des Körpers" beschreibt, sollen wir folgendes verstehen: "Der yogī sollte einen vierblütigen Lotus visualisieren....". 3. Die mit den Chakren verbundenen psychologischen Zustände sind völlig modern und westlich In vielen Büchern und zahllosen Internetseiten liest man z.B. dass das mūlādhāra Chakra mit Überleben und Sicherheit verbunden ist und das maṇipūra Chakra mit Willenskraft und Selbstwertgefühl verbunden ist. Ein gebildeter Yogi sollte jedoch wissen, dass sämtliche Assoziationen der Chakras mit psychologischen Zuständen eine moderne westliche Innovation ist, die mit Carl G. Jung begann. Vielleicht repräsentieren solche Assoziationen für manche Menschen Erfahrungswirklichkeiten (wenn auch meist nicht ohne Vorkenntnisse), doch sind sie bestimmt nicht in den Sanskritquellen zu finden. Für C. Hareesh Wallis gibt es nur eine bekannte Ausnahme, nämlich die des 10-Chakra-System für Yogi-Musiker. In diesem System des 13. Jh. finden wir zwar keine Zuordnung eines Chakra zu einem bestimmten Gefühl oder spezifischen psychologischen Zustands, vielmehr ist jedes Blütenblatt eines jeden Lotus-Chakras mit einem bestimmten Gefühl oder einem bestimmten psychologischen Zustand verbunden. Dabei scheint es kein Muster zu geben, welches das Chakra als Ganzes kennzeichnen könnte. Doch das ist noch nicht alles. Fast alle der vielen Assoziationen, die in der Moderne beschrieben werden, haben keine Grundlage in den indischen Quellen. Laut den westlichen Beschreibungen ist jedes Chakra mit einer bestimmten Körperdrüse, körperlichen Fehlfunktionen, Lebensmittel, Metall, Mineralien, Kräutern, einem Planeten, Yogaweg, einer Tarotfarbe, einer Sephira der jüdischen Mystik und einem Erzengel des Christentums verbunden! Keine dieser Assoziationen findet man in den ursprünglichen Quellen. Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, dass man keine Besserung empfinden kann, wenn man z.B. bei Problemen mit dem Selbstwertgefühl bestimmte Kristalle auf den Bauch legt und sich dabei vorstellt, es reinigt das maṇipūra Chakra. Vielleicht tut es das, je nach Person. Diese Praxis ist allerdings nicht traditionell und wurde ebensowenig über Generationen hinweg getestet (was der eigentliche Sinn einer Tradition ist). Mit Sicherheit ist es wichtig zu wissen, wenn der Stammbaum einer Praxis ein paar Jahrzehnte beträgt, und nicht Jahrhunderte. Und wenn eine Praxis einen Wert hat, dann muss man ihre Herkunft nicht verfälschen, oder? 4. Das heute populäre Sieben-Chakra-System stammt aus keiner alten Schrift, sondern aus einer 1577 verfassten Abhandlung. Das Chakra-System dem westliche Yogis folgen, wurde in einem Sanskrit-Text von einem Mann namens Pūrṇānanda Yati gefunden. Er stellte seinen Text (das Ṣaṭ-Chakra-nirūpaṇa oder "Erklärung der sechs Chakren", das eigentlich Kapitel sechs eines größeren Werks ist) im Jahr 1577 fertig, und wurde vor genau 101 Jahren, 1918, ins Englische übersetzt. Eine einfachere Version desselben Sieben-Chakra-Systems findet sich in einem postscripturalen Text aus dem 13.Jh. namens Śāradā-tilaka, auch wenn dieser Text die Existenz mehrerer Chakra-Systeme (wie Systeme mit 12 oder 16 Chakren) eindeutig anerkennt. Eine umfangreichere Version desselben Systems finden wir auch im 14./15. Jh. in der Śiva-samhitā. Die meisten Yogis (sowohl Inder als auch Westler) kennen das Sieben-Chakra-System jedoch durch das Werk von Pūrṇānanda aus dem 16. Jh., bzw. durch die etwas zusammenhanglose und verwirrende Übersetzung von John Woodroffe aus dem Jahre 1918. Dennoch ist es so, dass dieses Sieben-Chakra-System seit 4 oder 5 Jahrhunderten vorherrschend ist. Aber es ist ebenfalls wahr, dass das verwestlichte Sieben-Chakra-System auf der Interpretation einer fehlerhaften Übersetzung einer nichtscripturalen Quelle durch Okkultisten des frühen 20. Jh. basiert. Beachte bitte, dass der tantrische Buddhismus (z.B. in Tibet) oft ältere Formen bewahrt hat, und in der Tat ist das Fünf-Chakra-System in dieser Tradition dominant (ebenso wie das grundlegendere Drei-Bindu-System). Für ein typisches Fünf-Chakra-System, wie es im klassischen Tantra zu finden ist, siehe Seite 387 in meinem Buch Tantra Illuminated. 5. Der Hauptzweck eines Chakra-Systems ist es, als Vorlage für nyāsa zu dienen – der Installation von Mantras und Gottheiten. Für die ursprünglichen Autoren war der Hauptzweck eines jeden Chakra-Systems die Funktion als Vorlage für nyāsa, d.h. Mantras und Gottheits-Energien an bestimmten Stellen des subtilen Körpers einzurichten. Obwohl Millionen von Menschen heute von den Chakren fasziniert sind, verwendet fast niemand sie für ihren Zweck. Die herausragendsten Merkmale der Chakrasysteme in den ursprünglichen Quellen sind folgende: 1) die mystischen Klänge des Sanskrit-Alphabets sind über die "Blütenblätter" aller Chakren im System verteilt 2) jedes Chakra ist einem bestimmten Großen Element (Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum) zugeordnet 3) jedes Chakra ist einer bestimmten hinduistischen Gottheit oder Gottheiten zugeordnet. Denn, wie gesagt, ist das Chakra-System in erster Linie eine Vorlage für nyāsa. In nyāsa ('platzieren') visualisierst Du eine bestimmte mantrische Silbe an einer spezifischen Stelle in einem bestimmten Chakra in deinem Energiekörper, während du dessen Klang leise intonierst. Offensichtlich ist diese Praxis in einen kulturspezifischen Kontext eingebettet, in dem die Klänge der Sanskrit-Sprache als einzigartig kraftvolle Schwingungen angesehen werden, die den eigentlichen Teil einer mystischen Praxis bilden können und so spirituelle Befreiung oder weltlichen Nutzen durch magische Mittel bewirkt. Das Bild und die Energie einer bestimmten Gottheit in ein bestimmtes Chakra einzubringen ist auch kulturspezifisch, aber wenn westliche Yogis verstehen, wofür diese Gottheiten stehen, könnte die Praxis möglicherweise auch für sie von Bedeutung sein. Auch wenn sie für jene wahrscheinlich nie so bedeutungsvoll sein werden wie für jemanden, der mit diesen Gottheiten als beispielhafte Ikonen aufgewachsen ist, die in ihrem Unterbewusstsein verhaftet sind und auftauchen. Die sogenannten Ursachen-Gottheiten (karana-devatās) finden sich weitgehend in jedem Chakra-System. Diese Gottheiten bilden eine feste Abfolge: vom untersten bis zum höchsten Chakra sind sie Ganesh, Brahmā, Vishnu, Rudra, Īśvara, Sadāśiva und Bhairava, wobei die erste und letzte von ihnen je nach Anzahl der Chakren oft nicht erscheint. Die letzte Gottheit in der Liste der Ursachen-Gottheiten ist nie die ultimative Gottheit des gegebenen Systems, denn diese Gottheit (wer auch immer es ist) thront im sahasrāra oder tausendblütigen Lotus auf der Krone des Kopfes (was technisch gesehen kein Chakra ist, da Chakren per Definition von Kuṇḍalinī in ihrem Auf- oder Abstieg durchbohrt werden, während das sahasrāra ihr endgültiges Ziel und ihre Heimat ist). Daher ist Bhairava (die esoterischste Form von Shiva) nur dann in der Liste der Ursachen-Gottheiten enthalten, wenn er von der Göttin transzendiert wird, die in vielen dieser Systeme die ultimative Gottheit ist. 6. Die Saat-Mantras, von denen du denkst, dass sie zu den Chakren gehören, passen tatsächlich zu den Elementen, die gerade in diesen Chakren eingerichtet sind.
Das ist einfacher, als es sich anhört. Dir wurde gesagt, dass das Wurzel-Mantra (bīja) des mūlādhāra Chakras LAM ist. Nun, das ist es nicht. In keiner einzigen Sanskrit-Quelle, noch nicht einmal in Pūrṇānandas etwas verstümmelten synkretistischen Darstellung. Und das Mantra von svādhiṣṭhāna Chakra ist auch nicht VAM. Es ist ganz einfach: LAM (klingt wie "lang") ist das Wurzelmantra des Erdelements, das in den meisten Chakra-Visualisierungspraktiken in mūlādhāra installiert ist. VAM ist das Wurzelmantra des Wasserelements, das in svādhiṣṭhāna installiert ist (zumindest in dem Dir bekannten Sieben-Chakren-System). Und so weiter: RAM ist die Silbe für Feuer, YAM für Wind und HAM für Raum. (All diese bījas reimen sich auf lang; obwohl ich anmerken sollte, dass im esoterischen tantrischen Yoga die Elemente-bījas verschiedene Vokallaute haben, die als viel mächtiger angesehen werden.) Der Hauptpunkt ist also, dass die grundlegenden Mantras, die mit den ersten fünf Chakren verbunden sind, nicht zu diesen Chakren selbst gehören, sondern zu den fünf darin installierten Elementen. Dies ist wichtig zu wissen, wenn du jemals eines dieser Elemente an einem anderen Ort installieren möchtest. " Zum Beispiel installierten die Saiddhāntika die Erde im Herzchakra. Was könnte deiner Meinung nach ein Effekt auf deine Beziehungen sein, wenn du das Windelement immer im Herzzentrum installierst? (Bedenke, YAM ist das Mantra von Luft/Wind, nicht von anāhata, dessen innewohnendes Mantra ist OM). Vielleicht möchtest du also irgendwann einmal Erde im Herzen installieren, denn Erdung ist gut für dein Herz. In diesem Fall ist es irgendwie praktisch zu wissen, dass LAM das Mantra des Erdelements ist, nicht das mūlādhāra-Chakra-Mantra. Darüber hinaus gehören auch die meisten geometrischen Figuren, die heute mit den Chakren verbunden sind, in Wirklichkeit zu den Elementen. Die Erde wird traditionell durch ein (gelbes) Quadrat, Wasser durch einen (silbrigen) Halbmond, Feuer durch ein nach unten gerichtetes (rotes) Dreieck, Wind durch ein Hexagramm oder einen sechszackigen Stern und Raum durch einen Kreis dargestellt. Wenn Du also die Figuren siehst, die in den Illustrationen der Chakren eingeschrieben sind, weißt Du jetzt, dass es sich tatsächlich um Darstellungen der jeweiligen Elemente handelt, nicht um eine Geometrie, die dem Chakra selbst innewohnt. Damit komme ich zu meinem letzten Punkt: Selbst eine Sanskrit-Quelle kann fehlgeleitet sein. So sind beispielsweise im Text von Pūrṇānanda aus dem 16. Jahrhundert, der die Grundlage für das populäre moderne Chakrensystem bildet, die fünf Elemente in den ersten fünf Chakren eines Sieben-Chakrasystems angeordnet. Aber das funktioniert nicht wirklich, denn in allen klassischen Systemen ist das Raumelement an der Kopfkrone installiert, denn dort erlebt der yogī eine weitreichende Öffnung in unendliche Weiten. Der Raum ist das Element, das in das Unendliche übergeht, also muss er sich an oder in der Nähe der Krone befinden. Ich würde spekulieren, dass Pūrṇānanda den Raum am Hals-Chakra platzierte, weil er in einer Zeit lebte, in der die empfangene Tradition ohne kritische Reflexion zunehmend dogmatischen befolgt wurde (ein Trend, der sich leider fortgesetzt hat). Seine Tradition war eine Kaula-Tradition, in der die klassischen Ursachen-Gottheiten nach unten geschoben wurden, um Platz für spätere, höhere Gottheiten (insbesondere Bhairava und die Göttin) zu schaffen, und die Elemente kritiklos mit den Gottheiten und Chakren verschmolzen wurden, mit denen sie zuvor verbunden waren. (Es ist allerdings nicht offensichtlich dass Pūrṇānanda sich auf Kaula-Quellen stützte, denn anstatt dass die Göttin auf sahasrāra thront, wie wir es in einem Kaula-Sieben-Chakra-System erwarten würden, finden wir dort Paramaśiva, möglicherweise durch den Einfluss von Vedānta. Wir haben die Oberfläche dieses Themas kaum angekratzt. Es ist wirklich komplex wenn man wissenschaftliche Literatur betrachtet, wie z.B. die Arbeiten von Dory Heilijgers-Seelen oder von Gudrun Bühnemann. Es braucht ungewöhnliche Geduld und Konzentration, um ein solches Werk überhaupt zu lesen, geschweige denn zu produzieren. Nun, ich hoffe, das Ergebnis dieses Beitrags wird etwas mehr Demut sein. Ein geringererAnspruch auf Autorität, wenn es um wirklich esoterische Themen geht. Vielleicht ein paar Yogalehrer weniger, die versuchen, ihren Schülern zu sagen, worum es in den Chakren geht. Ich bin echt demütig wenn ich die Komplexität der ursprünglichen Quellen sehe, und das mit vierzehn Jahren Sanskrit auf dem Rücken. Dies alles ist noch weitgehend Neuland. Wenn es also um die Chakren geht, behaupte nicht, dass Du dich damit auskennst. Sag deinen Yogaschülern, dass jedes Buch über die Chakren nur ein mögliches Modell darstellt. Praktisch nichts, was in westlichen Sprachen geschrieben ist, ist für Yoga-Praktizierende wirklich maßgeblich. Warum also nicht vorsichtig mit den Überzeugungen umgehen, die du über Yoga erworben hast, gerade wenn du ständig dazu lernst? Es ist zugegebenermaßen noch nicht ganz klar, dass wir diese alten Yogapraktiken verstehen; und anstatt zu versuchen, eine Autorität für eine über-vereinfachte Version von ihnen zu sein, kannst Du dich und deine Schüler einladen, klarer, ehrlicher, genauer und unvoreingenommener auf ihre eigene innere Erfahrung zu schauen. Schließlich ist auch alles, was je ein Yogameister erlebt hat, in dir. ~ ~ ~ Postscript: Dieser Beitrag erhält eine größere Verbreitung als ich es gewohnt bin, und einige Leute, die mich nicht kennen, interpretieren meinen leicht schrägen Ton als Arroganz oder Sarkasmus. Tatsächlich bin ich im Grunde genommen ein echter Softie. Bitte lies meine Biografie, damit Du meine Qualifikationen beurteilen kannst, um die Aussagen zu machen, die ich mache.
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